Gerrit Frohne-Brinkmann. What I claim as new

7. April bis 16. Juli 2016

  • Gerrit Frohne-Brinkmann & Emanuel Mauthe
    Seasonal Greetings II, 2015
    bemaltes Lindenholz, Messing
    86 x 61 x 3 cm

  • Gerrit Frohne-Brinkmann & Emanuel Mauthe
    Seasonal Greetings IV, 2015
    bemaltes Lindenholz, Messing
    57 x 71 x 3 cm

  • Claims (VANITY BOX), 2016
    Pigment Print, Tee, Kaffee auf Papier
    3 Blätter, je 45,5 x 30,5 cm
    Unikat, signiert und datiert

  • Claims (METHOD AND MEANS FOR CREATING ANTI-GRAVITY ILLUSION), 2016
    Pigment Print, Tee, Kaffee auf Papier
    8 Blätter, je 45,5 x 30,5 cm
    Unikat, signiert und datiert

  • Claims (TRICK CUTLERY), 2016
    Pigment Print, Tee, Kaffee auf Papier
    2 Blätter, je 45,5 x 30,5 cm
    Unikat, signiert und datiert

  • Claims (LEVITATION APPARATUS), 2016
    Pigment Print, Tee, Kaffee auf Papier
    19 Blätter, je 45,5 x 30,5 cm
    Unikat, signiert und datiert

  • +1, 2015
    UV-Druck auf Pappwabenplatte, Edelstahl
    links: 183 x 40 x 29 cm; rechts: 190 x 48 x 29 cm
    Unikat, Zertifikat

  • +1, 2015
    UV-Druck auf Pappwabenplatte, Edelstahl
    links: 178 x 53 x 29 cm; mittig: 198,5 x 48 x 29 cm; rechts: 180 x 46 x 29 cm
    Unikat, Zertifikat

  • Mit What I claim as new zeigt die Jürgen Becker Galerie die erste Einzelausstellung des Hamburger Künstlers Gerrit Frohne-Brinkmann. In seinen Arbeiten nutzt er die Faszination, die von fantastischen Künsten wie der Zauberei ausgeht, arbeitet mit dem unmittelbaren Unterhaltungswert der Illusion und überführt diesen in die bildende Kunst. Mit spielerischer Leichtigkeit überwindet er die Grenzen von Kunst und populärer Unterhaltung und verknüpft damit Welten, die in der Regel nicht zusammen gedacht werden. Illusion und Desillusion beziehungsweise ihr paradoxes Zusammentreffen sowie das Spiel mit den Schnittstellen von Verklärung und Aufklärung machen die Spannung von Gerrit Frohne-Brinkmanns Arbeiten aus. Indem er die subtilen Zusammenhänge zwischen realer Weltanschauung und dem Betrachten und Schaffen von Kunst auf verschiedenen Ebenen untersucht, beleuchtet er das Spannungsfeld zwischen Bühne und Leben, öffnet alternative Spielräume und fordert das Publikum auf, die Dinge auf eine andere Art und Weise zu betrachten. Dabei setzt er nicht selten auf die Zusammenarbeit mit anderen Künstler*innen. In seinen Werken arbeitet er mit Verschiebungen, beleuchtet die Rückseite von Inszenierungen, rückt kleine Gesten in den Vordergrund, macht bisher unbeachtete Dinge sichtbar oder verleiht mitunter Redensarten eine Form. Dazu bedient er sich der Täuschung und Illusion, arbeitet mit Entzug und Offenlegung. Viele seiner Werke ermöglichen nicht zuletzt in der Interaktion mit den Ausstellungsbesucher*innen einen Blick hinter die Kulissen.
     
    Für seine Serie +1 (2015) inszeniert Gerrit Frohne-Brinkmann eine Möglichkeit des Verschwindens oder Versteckens, die einem von Verfolgungsjagden im Film bekannt ist, etwa wenn es keine Ecke gibt, hinter der man sich verstecken kann, keine Lucke durch die man entfliehen kann. Die eingenommene Pose dient als Tarnung, als Rückzugsmöglichkeit aus einer Umgebung ohne diese tatsächlich zu verlassen. Die sich selbst umarmenden und einen Kuss vortäuschenden Personen inszenieren sich für ihr Gegenüber, damit halten sie ihre Betrachter*innen einerseits auf Distanz, fordern andererseits den Voyeurismus derselben heraus. Jedoch wird die eigene Sensationslust im Moment des Herantretens enttäuscht, vielmehr sieht man sich mit einer traurig-komischen Einsamkeit konfrontiert. Die Darsteller_innen spielen einem die Situation nur vor. Nicht zuletzt im Zusammenspiel mit realen Ausstellungsbesucher*innen kommt die mangelnde Dreidimensionalität der Pappkameraden zum Vorschein. Man kommt hinter das Geheimnis der in mehrfacher Hinsicht augentäuschenden Inszenierung, die Kulissenhaftigkeit der Szenerie tritt in den Vordergrund.
     
    Für seine jüngste Werkgruppe der Claims (2016) eignete sich Gerrit Frohne-Brinkmann eine Reihe skurriler Patente des United States Patent Office an, darunter ein Patent für ein Scherzartikelbesteck, eine Zauberschachtel, ein Paar spezieller Tanzschuhe von Michael Jackson sowie einen für David Copperfield entwickelten Flugmechanismus. Die Dokumente für diese sogenannten „Amusement- “ oder „Illusion Devices“ – Apparate, die notwendig sind um einen bestimmten Trick zu realisieren – stehen in ihrer Funktion, eine Erfindung durch ausführliche Beschreibungen und Illustrationen zu sichern, in starkem Widerspruch zum eigenen Inhalt. Sie bilden ein Scharnier zwischen bürokratischem Akt und Zaubertrick und stellen damit ein wahres Paradoxon dar, verstoßen sie doch gegen den Berufsethos des Zauberers, seine Tricks zu verraten. 
     
    Bei den Seasonal Greetings (2015) handelt es sich um eine Serie von insgesamt fünf Skulpturen, die in Zusammenarbeit mit dem Wiener Künstler Emanuel Mauthe entstanden sind. Für die Serie haben die beiden Künstler das herbstliche Basteln mit Kastanien, welches eher selten Figuren hervorbringt, mit denen Kinder tatsächlich spielen oder die Eltern sich ins Regal stellen, sondern vielmehr einer sozialisierenden, zumeist gemeinsam unternommenen Aktion dient, auf eine bildhauerische Arbeit übertragen. Sämtliche Einzelteile der aus Lindenholz geschnitzten und mit Messingstäben verbundenen Kastanienfiguren wurden zwischen Hamburg und Wien hin- und hergeschickt. Dem Arbeitsschritt des einen, folgte ein Arbeitsschritt des anderen, daran gekoppelt eine stetige Kommunikation. Dabei werden die zeichnungsartigen Darstellungen verschiedener Stative, die als ein Formspiel von Stabilität oder als eine Konstruktion verschiedener Verknüpfungen verstanden werden können, zur Figuration, die das soziale Zusammensein von Individuen in spezifischen Konstellationen beschreibt.

    Merle Radtke, Kuratorin der Ausstellung

  • With What I claim as new the Jürgen Becker Galerie is showing the first solo exhibition of the Hamburg artist Gerrit Frohne-Brinkmann. In his works the artist explores the fascination stemming from the fantastic arts such as magic, working with the immediate entertainment value of illusion and transposing this into fine art. With ludic lightness he dissolves the boundaries separating art and popular entertainment, thereby merging worlds that are rarely associated in the same context. Illusion and disillusion, or their paradoxical coincidence, paired with a playful treatment of the connections between glorification and enlightenment mark the highly charged appeal of Gerrit Frohne-Brinkmann’s works. By fathoming the subtle correlations on various levels between perceptions of the real world and the processes of viewing and creating art he sheds light on the field of tension between the stage and life, opening up alternative realms for experiment and challenging his audience to consider things from a different perspective. In doing so, he frequently engages in collaborations with other artists. In his works he employs shifts and deferments, illuminates the reverse side of mise-en-scène, brings small gestures to the fore, gives visibility to otherwise unperceived phenomena or lends form, among others, to figures of speech. For this, he employs pretence and illusion, operates with withdrawal and disclosure. In many of his pieces it is not least of all through forms of interaction with exhibition viewers that he offers a view behind the scenes.
     
    For his series +1 (2015), Gerrit Frohne-Brinkmann stages the possibility of disappearance or concealment familiar from chase scenes in the cinema – such as when there is no corner left for the protagonist to hide, no gap through which he can escape. The assumed posture serves as camouflage, as a means of retreat from a situation without actually leaving it. The figures that enter an embrace, then pretend to kiss each other, are staging this for their onlookers as a means of keeping them at bay, but also to fire their voyeurism. Yet as the viewer steps closer, their own sensationalist urge is betrayed; instead they find themselves confronted with a spectacle of tragicomic loneliness. The figures are merely acting out the situation. Not least of all, what emerges from this interaction with real exhibition visitors is the inadequate three-dimensionality of these cardboard characters. The mystery of this in various ways optically deceptive mise-en-scène is disclosed: the staged nature of the setting comes to the fore.
     
    For his latest group of works Claims (2016), Gerrit Frohne-Brinkmann acquired a number of scurrilous patents from the United States Patent Office, among them the legal rights to a set of practical joke instruments, a magic box, a pair of Michael Jackson’s special dancing shoes and a flying device invented for David Copperfield. In their function as means for protecting an invention through exhaustive description and illustration, the papers documenting these “amusement or illusion devices” required to perform a certain trick stand in stark contrast to their content. They act as a hinge between bureaucratic act and magic trick, thereby embodying a true paradox as well as violating the core professional ethic of the magician never to reveal his tricks.

    Seasonal Greetings (2015) is a series of altogether five sculptures created in collaboration with the Vienna-based artist Emanuel Mauthe. In this group of works the two artists have adapted the autumnal preoccupation with fallen chestnuts – often gathered by children to play games or edified by parents putting them on shelves, yet seldom ending up as figures even if they nonetheless serve as vehicles for socialising or at least communally shared activities – and transformed them into sculptural work. All the individual components of the chestnut figures carved from basswood and joined with brass rods were dispatched back and forth between Hamburg and Vienna. A work step by one artist was followed by a work step by the other, resulting in a continuous flow of communication. In the process, the diagram-like depictions of the various tripods that can be seen as formal variations on the idea of stability or as the construction of different types of connection, serve as figurative representations describing the social concomitance of individuals in specific constellations.

    Merle Radtke, curator of the exhibition

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